Der epigenetische Fingerabdruck
Erfahrungen von sieben Generationen können in unserem Erbgut durch die Wissenschaft der Epigenetik (Erforschung von Genen, die nicht durch die DNA selbst, sondern durch deren Ablesebereitschaft beeinflusst werden) nachgewiesen werden. Das stelle ich mir bildlich so vor, dass die Gärtnerin, die Mitte des 19ten Jahrhunderts diesen Mammutbaum im botanischen Garten in Karlsruhe gepflanzt hat, mir – mit einem Augenzwinkern – verbunden ist. Obwohl Karlsruhe eine aufgeschlossene und freie Stadt war, werden auch hier die gesellschaftlichen Regeln der männlichen Dominanz nicht außer Kraft getreten sein. Frauen hatten zu funktionieren, zu gehorchen und keinen eigenen Willen zu entfalten. Heute sieht das glücklicherweise ganz anders aus. Die letzten drei Generationen von Frauen haben an dem Ziel der Gleichberechtigung von Frau und Mann stetig und unermüdlich weitergearbeitet. Zuerst waren es die Trümmerfrauen, die von der Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg ausgenutzt wurden. Als wieder genügend Männer für den wirtschaftlichen Ausbau zur Verfügung standen, sollten sie zurückkehren an Heim und Herd. Viele ließen sich jedoch nicht beirren und forderten Bildung und Selbstbestimmung für sich und vor allem für ihre Töchter. Diese nachfolgende Generation, der ich angehöre, kam in den Genuss des Erfolgs dieser Streiterinnen. Wir hatten die Möglichkeit, eine gute Schulbildung zu erlangen und machten unsere Belange verstärkt öffentlich. Uns oblag es, für unsere Freiheiten im zwischenmenschlichen und sexuellen Bereich einzutreten und dem einengenden gesellschaftlichen Kokon Risse zuzufügen. Das Recht auf gleichgeschlechtliche Liebe und Sex, vorehelichen Sex und Selbstbestimmung über den eigenen Körper waren einige der Ziele, die uns bewegten. Unsere Töchter wurden in eine Zeit hineingeboren, in der der formale Anspruch der Gleichberechtigung für alle Menschen besteht, die Realität aber hinter dieser Ambition zurücksteht. Zum Beispiel obliegt in den meisten Familien die Familienarbeit immer noch den Frauen, immer noch verzichten hauptsächlich Frauen auf ihre individuelle Selbstverwirklichung und wirtschaftliche Karriere, da die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Familienarbeit unzureichend sind und immer noch verdienen Frauen 18% weniger als Männer bei vergleichbarer Position und Ausbildung. Es gibt also noch viel zu tun.
Ich möchte noch einmal zurückkommen auf mein Anfangsstatement. Viele Generationen von Frauen haben sich beteiligt an unserer Sicht der Dinge. Ihre Erfahrungen, ihre Traumata und ihre Lebensphilosophien wurden und werden in uns und unseren Nachkommen weitergetragen. Das spüren wir manchmal, wenn uns Zweifel an unseren rationalen Entscheidungen kommen und wir nicht erklären können, wer oder was uns da ein schummriges Bauchgefühl beschert. Wir spüren aber auch die Stärke und Zuversicht dieser Generationen, die auf ihre Art und Weise ein Teil des gesellschaftlichen Prozesses zu mehr Geschlechtergerechtigkeit waren und sind.
Wie auch immer unsere Lebensentwürfe und -entscheidungen aussehen werden, sie sind zugleich individuell und gesellschaftlich, zeitnah und generationsübergreifend.
So wie die Pflanzerin des Mammutbaumes uns in unserer DNA zuwinkt, so bereichern wir – die Frauen der Gegenwart – mit all unseren angesammelten epigenetischen Informationen (Ernährung, Krankheit, Lebensstil, Erfahrungen etc.) den genetischen Fingerabdruck von Frauen der nächsten 200 Jahre.
Ich möchte noch einmal zurückkommen auf mein Anfangsstatement. Viele Generationen von Frauen haben sich beteiligt an unserer Sicht der Dinge. Ihre Erfahrungen, ihre Traumata und ihre Lebensphilosophien wurden und werden in uns und unseren Nachkommen weitergetragen. Das spüren wir manchmal, wenn uns Zweifel an unseren rationalen Entscheidungen kommen und wir nicht erklären können, wer oder was uns da ein schummriges Bauchgefühl beschert. Wir spüren aber auch die Stärke und Zuversicht dieser Generationen, die auf ihre Art und Weise ein Teil des gesellschaftlichen Prozesses zu mehr Geschlechtergerechtigkeit waren und sind.
Wie auch immer unsere Lebensentwürfe und -entscheidungen aussehen werden, sie sind zugleich individuell und gesellschaftlich, zeitnah und generationsübergreifend.
So wie die Pflanzerin des Mammutbaumes uns in unserer DNA zuwinkt, so bereichern wir – die Frauen der Gegenwart – mit all unseren angesammelten epigenetischen Informationen (Ernährung, Krankheit, Lebensstil, Erfahrungen etc.) den genetischen Fingerabdruck von Frauen der nächsten 200 Jahre.